Kraków,
Dienstag 16. April 2013 – 14.00 Uhr
Vorstellung
der Neuausgabe des “Direktoriums für Dienst und Leben der
Priester”
und des Buches „Priester in der Moderne“
vor den Verantwortlichen für die Ständige Weiterbildung
des Klerus in Polen
Ansprache
von
Kard. Mauro Piacenza
Präfekt der Kongregation für den Klerus
Liebe Mitbrüder und Freunde,
die Aufmerksamkeit gegenüber
der Ausbildung und dem Leben unseres Klerus muss in unseren Gedanken immer an
erster Stelle stehen, im Bewusstsein, dass wir dadurch eine wahre cura animarum für das gesamte Gottesvolk
erfüllen können.
Gerade durch einen gut ausgebildeten
Priester, der unerschütterlich im Glauben, unbeirrbar in Spiritualität und
Nächstenliebe ist, der eine gute kulturelle Basis hat, moralisch treu und seelsorgerisch
bemüht ist, können wir, als Hirten der Kirche, die Gemeinschaft und alle
Menschen pflegen, die der Herr uns anvertraut.
Gerade aus dieser
Perspektive, die wir als klassische Perspektive der „Ausbildung der Ausbilder“
definieren können, hat die Kongregation für den Klerus eine Neuausgabe des Direktoriums für Dienst und Leben der Priester veröffentlicht; im Vergleich zur Ausgabe von 1994 ist
es erweitert und aktualisiert worden. Besonders berücksichtigt wurden der lehramtliche
Beitrag des seligen Johannes Paul II und jener des emeritierten Heiligen Vaters
Benedikt XVI, insbesondere der zum Jahr der Priester verfasste, durch den ein
bedeutender Beitrag zur eingehenden Untersuchung der Identität der Priester
formuliert wurde.
Meinen vorliegenden Beitrag
werde ich in drei grundlegende Punkte gliedern, die den drei Teilen des
Direktoriums entsprechen, wobei ich die Identität des Priesters, die
priesterliche Spiritualität und die lebenslange Weiterbildung ansprechen werde.
Eine abschließende Schlussbemerkung wird der Schrift gelten, die ebenfalls
heute vorgestellt wird: „Priester in der Moderne“. Diese Veröffentlichung soll
den Mitbrüdern bei der kulturellen und sozialen Analyse unserer Zeit behilflich
sein, um eine bestmögliche, vor allem auf dem Glauben, eher als auf
menschlichen Strategien, aufbauende Antwort geben zu können.
Warum ein Direktorium?
Könnte das Direktorium nicht den Eindruck vermitteln ein überholtes Instrument
zu sein, in einer Zeit der Bewusstseinsbildung und der Freiheit, die jeder Form
von „Führung“ gegenüber allergisch ist?
Eigentlich sollte der Geist
mit dem das Direktorium aufgenommen wird, zweifach geartet sein: einerseits will
das Direktorium einen weitgreifenden, umfassenden Horizont bieten, auf den man
stets seinen Blick richten kann um die Ausrichtung des eigenen Werdegangs als
Priester zu erkennen oder wiederzuerkennen, und um zu vermeiden, sich in tausend,
von der zeitgenössischen Kultur gebotenen, Kleinigkeiten zu verzetteln.
Andererseits, vorbehaltlich angemessener und gebührender Unterscheidungen,
sollte das Direktorium fast als Lebensregel gesehen werden, als Hilfe bei der
komplexen, schrittweisen Reifung der persönlichen Freiheit und Treue, in etwa
so wie dies für Satzung und Regeln der verschiedenen Orden gilt, die einen
Lebenssinn und dadurch den konkreten Lebensweg aufzeigen, durch die man zum
Ziel gelangt. So könnten wir also auch sagen, dass sich hinter einem „alten
Namen“ eine ständig sich erneuernde Realität verbirgt, wie sich ja auch, in
jeder Generation, das Herz der Menschen erneuert (vgl. Benedikt XVI, Spe salvi, 24), das nach der Begegnung
mit dem Mysterium strebt und von der übernatürlichen Begleiterin, der Kirche, geformt
werden möchte.
1. Die Identität
des Priesters
Ich möchte hier nun nicht
die gesamte Theologie des Priestertums aufrollen, die Sie ja sicher alle gut
kennen. Vielmehr möchte ich meine Aufmerksamkeit auf zwei Elemente fokussieren,
die meiner bescheidenen Ansicht nach, vor allem in heutiger Zeit, große
Aufmerksamkeit erfordern: die ekklesiologische Dimension und jene der priesterlichen
Communio.
1.1 Ekklesiologische Dimension
«Christus, der dauernde und immer neue Quell des
Heils, ist das ursprüngliche Geheimnis, aus dem das Geheimnis der Kirche
hervorgeht. Sie ist sein Leib und seine Braut, die er als Bräutigam berufen
hat, Zeichen und Werkzeug der Erlösung zu sein. Durch das den Aposteln und
ihren Nachfolgern anvertraute Werk fährt Christus fort, seiner Kirche Leben zu
schenken. In ihr findet der Dienst der Priester seinen natürlichen „Ort“ und
erfüllt er seine Sendung.» (Direktorium, 13).
Aus dem Kontext eines solchen,
natürlichen „Ortes“ herausgerissen, ist der Priester undenkbar. Er wird
innerhalb und für die Kirche geboren; genauer gesagt, wird der Priester, durch
die Kirche, aus Gott geboren, um den der Kirche geweihten Menschen zu dienen,
und durch sie der Kommunion mit Gott.
Die kirchliche Dimension
kann nicht einfach nur auf Formen der Selbstbezogenheit oder des
Horizontalismus zurückgeführt werden, vielmehr beschreibt sie die tiefgehende
Verbindung des Priesteramtes mit Christi heilbringendem Handeln durch alle
Zeiten. Erneuert die Kirche Christi Gegenwart in der Geschichte, bis hin zu
ihrer Auflösung, so sind die Priester das Instrument, das eine solche
Erneuerung ermöglicht, auf dass das Reich Gottes fortbestehe und weiter
verkündet werde, Barmherzigkeit geübt und das Brot des Lebens geteilt werde.
Grundlegend in dieser ekklesiologischen
Dimension des Priesteramtes ist die Teilnahme eines jeden Priesters an Christi Bräutigam-Sein,
wie wir es in Pastores dabo vobis
finden: «Christus, dem Diener und Bräutigam der Kirche» (PDV, 3). Gleich Christus, der die Kirche so sehr liebt, dass
er sich ganz ihr hingibt, so ist jeder Priester berufen - durch die Teilnahme
an eben derselben Priesterschaft Christi, und diese Haltung in der Beziehung zu
ihm verankernd - seine Braut, die Kirche, zu lieben, täglich sein Leben für sie
hingebend.
Das eigene Leben für die
Kirche hinzugeben könnte jedoch als Abstraktion erachtet werden, sofern der
Leib der Kirche nicht die konkrete Gestalt des uns anvertrauten Gottesvolkes
annehmen würde. Nach nunmehr 50 Jahren sollten wir die Polarisierung zwischen
Leib Christi und Gottesvolk, in der Definition der Kirche, als absolut veraltet
betrachten. Diese beiden Dimensionen müssen ständig miteinander verwoben
werden, da es gegenüber dem Volk Gottes keinen „anderen“ Leib gibt, den Gott
beruft und zu sich ruft. Gerade die übernatürliche Berufung durch den Allerhöchsten
lässt dieses Volk zu einem Leib werden, einem Stamm sui generis - wie der Diener des Herrn Paul VI zu sagen
pflegte - der gerade Kraft seiner übernatürlichen Beziehung zu dem ihn
immerfort berufenden Gott, lebt und besteht.
Der Kirche dienen bedeutet
also, mit dem Herrn zusammenzuarbeiten bei der Erbauung ihres Leibes, bei der Berufung
seines Volkes, welchem das immerwährende Recht zusteht, die Verkündung der
Frohbotschaft zu hören, die göttliche Barmherzigkeit zu erleben und sich mit
dem Brot der Eucharistie zu nähren. Keinesfalls steht der Gehorsam den Gesetzen
und Regeln der Kirche im Widerspruch zur Fürsorge gegenüber dem Gottesvolk.
Ganz im Gegenteil stellt es dessen Konkretisierung dar, im demutsvollen
Bewusstsein, das jedem Priester eigen sein sollte, dass nicht er als Individuum
der Urheber der Berufung ist, sondern dass er ein einfaches Instrument im Rahmen
eines großen Leibes ist, der seine Kreativität, die nur in der Treue wahrlich zu
fruchten vermag, aufnimmt und hervorhebt.
Mit großem Nachdruck hat
uns daran auch Papst Franziskus erinnert: „Unsere Salbung haben wir erhalten um
das Volk zu salben“ (Homelie Chrisam-Messe,28.
März 2013). Dieses Bild hat mich persönlich sehr berührt, vor allem in der
Passage, in der der Heilige Vater die Prüfung dieser Salbung mit der Freude
verglichen hat, die aus den Gesichtern der Menschen strahlt, wenn sie aus
unseren Gottesdiensten kommen. Waren diese wahre Salbung, also wahre Verkündung
der Frohbotschaft, dann erstrahlt im Herzen und im Antlitz unserer Gläubigen
wahre Freude.
Sehr wohl wissen wir, liebe
Mitbrüder, dass nur das Bewusstsein die Salbung erhalten zu haben, auch täglich
und beständig ihre Weitergabe ermöglicht. Wenn einem auch manchmal etwas
„vertrocknete“ Priester begegnen mögen, die der Salbung unfähig geworden sind,
so ist dies höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sie selbst das
Bewusstsein ihrer eigenen Salbung verloren haben. So ist die erste Aufgabe der
Hirten und der Verantwortlichen der Grundausbildung und der Weiterbildung des
Klerus, gerade diese: das Bewusstsein, die Erinnerung der Salbung ständig zu
erneuern, in der Überzeugung, dass aus ihr alle missionarische Fruchtbarkeit
und Fähigkeit entsteht.
Des Weiteren wissen wir,
dass jede ekklesiologische Dimension des Priesteramtes in sich die
„Universalität der Priesterschaft“ birgt. Alle Priester sind selbstverständlich
Teil der Kirche, doch auch im Angesicht der Kirche „dienen
sie gemäß ihrer Berufung und Gnade dem Wohl der ganzen Kirche Daher darf die
durch die Inkardination gegebene Zugehörigkeit den Priester nicht in einer
engen und partikularistischen Mentalität einschließen. Vielmehr muss er zum
Dienst auch an anderen Kirchen offen sein, weil jede Kirche die Verwirklichung
eines Teiles der einzigen Kirche Jesu Christi ist.“ (Direktorium, 15).
Sehr deutlich zeigt sich,
dass die richtige Auffassung der ekklesiologischen Dimension des Priesteramtes auch
ein sich Zuwenden zur Evangelisierung mit sich bringt, das - in seinen
unterschiedlichsten Dimensionen interpretiert - heute notwendiger denn je
erscheint, wollen wir erwirken, dass die Neuevangelisierung nicht nur ein
demagogisch ständig wiederholter Slogan bleibt, sondern konkrete Realität von
Männern und Frauen wird, die durch unsere Verkündung und unser Zeugnis
angeregt, sich zu Christus bekehren, ihr Leben ändern und damit die Gesellschaft
neu gestalten und die Geschichte neu schreiben.
Jeder Priester muss diese
missionarische Realität seiner Priesterschaft voll im Bewusstsein haben und sie
im Einklang mit der Kirche leben, die als Leib die Fürsorge für alle Menschen empfindet;
mit den Worten des seligen Johannes Paul II soll er bedenken, dass die Neuevangelisierung „neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer
Ausdrucksweise“ wird sein müssen (Johannes Paul II., Ansprache an die
Vollversammlung des CELAM, 9. März 1983, in Direktorium, 21).
Es ist sicher kein Zufall, wenn unser seliger Papst erst von Eifer und dann von Methoden und Ausdrucksweise
der Evangelisierung gesprochen hat. Es wäre vollkommen überflüssig neue
Methoden und neue Ausdrucksweisen zu suchen, wenn dies ohne Eifer geschähe,
ohne jene Kraft, die aus dem Heiligen Geist und der Salbung entsteht, jene
Energie, die sich beständig und auf übernatürliche Weise erneuert, in der
Priesteridentität wurzelnd.
Unmissverständlich wurde
dies auch von Paul VI in Evangelii nuntiandi
gesagt und von Benedikt XVI im Motu
proprio “Porta fidei”: „Der Glaube wird durch das Schenken desselben
gestärkt“ (vgl. Dirktorium, 21). Wir
alle, liebe Priester-Mitbrüder, wissen, dass die innigste Freude des Dienstes
gerade mit der Weitergabe des Glaubens an die Brüder verbunden ist, mit der
authentischen Begegnung der Seele mit Gott und mit ihrer Rückkehr zu Gott. Die
Priester, die so zum Bräutigam der Kirche werden, erleben auch die wahre spirituelle
Vaterschaft, nicht nur indem sie die Brüder auf dem Weg des Glaubens begleiten,
sondern auch indem sie - möge Gott uns gewähren, dass dies immer so sei - Glauben
entstehen lassen, durch ihr Zeugnis, durch die Katechese, die Predigten und die
Sakramente.
Eifer in der
Evangelisierung und die kirchliche Dimension unseres Dienstes sollen die Gründe
sein, die uns dazu führen, immer aufmerksamer an unserer Humanität zu arbeiten,
an unseren Grenzen, an unseren manchmal fortbestehenden Mängeln. Wir sollen nicht
aus einem narzisstischen Wahn asketischer Perfektion heraus an uns arbeiten,
sondern aus Liebe zu Gott und zu den Menschen! Denn kein Element unseres Menschsein
soll die Begegnung der Menschen mit Gott behindern, die Barmherzigkeit und die
liebevolle Aufnahme einschränken, die der Herr seinen Kindern durch unsere Humanität
erweisen möchte.
In diesem Sinne lassen „die Priester in ihrem Leben die ergreifenden Worte des
Apostels wahr werden: „meine Kinder, für die ich von neuem Geburtswehen
erleide, bis Christus in euch Gestalt annimmt“ (Gal 4,19). (Direktorium, 24).
Aus dieser ekklesiologischen
Sicht muss die Übung des munus regendi
von den Bischöfen beständig aufgenommen und interpretiert werden. Christi
Vorbild folgend, ist dies eine Kraft, die zum Dienst wird, eine übernatürliche
Kraft im Dienste der übernatürlichen Begegnung der Seelen mit Gott. Es ist ein
wahrer amoris officium, eine
selbstlose Hingabe zu Gunsten des Gottesvolkes, konsequent und in Demut gelebt,
beständig der zweifachen, widersprüchlichen Versuchung widerstehend: über die
Herde herrschen, oder die eigene Hingabe an Christus, Herr und Hirte, zu
verlieren; beide Interpretationen sind subjektiver Prägung und nicht kirchlich.
In diesem Rahmen ist die
lehramtliche Klarheit, hinsichtlich der wesentlichen Unterscheidung zwischen
allgemeiner Priesterschaft und Priesteramt, erforderlich, im Bewusstsein, dass
einerseits Letzteres auf die Ausübung Ersterer ausgerichtet ist, und
andererseits, dass - wie Presbyterorum
ordinis lehrt - nur durch die Aufopferung der Priester die gläubigen Laien die
Hingabe ihrer selbst an Gott, eucharistisch gesehen, zu erfüllen vermögen.
1.2
Die Kommunions-Dimension
Wollten wir einen, vom
Zweiten Vatikanischen Konzil bezüglich des Priesteramtes eingehend
betrachteten, Aspekt authentischer „lehramtlicher Neuheit“ ausmachen, so
könnten wir ihn im Begriff „priesterliche Kommunion“ finden, die den Priester
mit Gott und dem Priesteramt verbindet. So wird er Teil eines Leibes, dem auch
der Bischof innig und zutiefst verbunden ist und der Priester ist nicht dessen bloßer
Handlanger, sondern sein persönlicher Mitarbeiter.
Wollte man von der innigen
und reellen Kommunion mit der Heiligen Dreifaltigkeit absehen - insbesondere
mit Christus als Priester - und von der Kommunion mit der Kirche, bezeugt durch
die hierarchische Kommunion und die Eucharistiefeier, wäre es nicht nur
schwierig das Priesteramt auszuüben, es wäre schlichtweg unmöglich!
Abgesehen von den legitimen,
gleichzeitig bereichernden persönlichen, charakterbedingten und spirituellen
Unterschieden, ist - zur Erwirkung einer Erneuerung der priesterlichen
Identität und des missionarischen Eifers - die Kommunion mit der Kirche absolut
unabdingbar. Diese offenbart sich entstehungsgemäß in der konkreten Kommunion
mit den rechtmäßigen Vorgesetzten, mit der Pfarrei, der man angehört und mit
all jenen Brüdern und Schwestern, die der Herr dem Priester auf seinen Weg schickt.
Hinsichtlich dieses eindeutig
mit der ekklesiologischen Priesteridentität verbundenen Aspekts der Kommunion, möchte
ich hervorheben, was unter Nr. 40 im Direktorium gesagt wird: „Das gemeinschaftliche Leben ist Abbild jener apostolica vivendi forma
Jesu und seiner Jünger. Mit dem Geschenk des heiligen Zölibats um des
Himmelreiches willen hat der Herr uns in besonderer Weise zu Mitgliedern seiner
Familie gemacht.“ In einer immer stärker
säkularisierten Welt, in der das Gottesvolk, auch der Nächststehende, nicht
immer die „Familie“ des Priesters darstellt, ist die apostolica vivendi forma eine wahre Möglichkeit freudigen und
lebendigen Zeugnisses, das die Treue zu den, durch die Priesterweihe
übernommenen, Verpflichtungen stärkt, einschließlich des Zölibats, und eine
wirksamere Evangelisierung ermöglicht.
2. Die
priesterliche Spiritualität
In der vom Direktorium
gegebenen Beschreibung priesterlicher Spiritualität, ist das Binomium
„Bekehrung-Evangelisierung“ grundlegend. Es wird darauf verwiesen, dass grundlegende
Voraussetzung einer wirksamen Evangelisierung gerade die wahrhafte Beteiligung
des Priesters am großen Werk der beständigen Bekehrung ist, zu der alle
Christen berufen sind. In diesem Sinne ist „die Berufung zur Neuevangelisierung
vor allem eine Berufung zur Bekehrung“ (Johannes Paul II, Santo Domingo, 12 Oktober 1992).
Aus dieser Voraussetzung
ergibt sich das Primat des spirituellen Lebens, im Sinne von „mit Christus im
Gebet sein“, weisheitsvoll alle von der kirchlichen Tradition dem Priester gebotenen
Möglichkeiten nutzend, die er jedoch nie als selbstverständlich erachten darf.
Daran erinnerte mit unglaublicher Klarheit der emeritierte Papst Benedikt XVI,
während der Predigt zur Chrisam-Messe 2008: „Zum
Dienen gehören schließlich noch zwei weitere Aspekte. Niemand ist seinem Herrn
so nahe wie der Diener, der ins Privateste seines Lebens Zugang hat. Insofern
bedeutet Dienen Nähe, fordert Vertrautheit. Diese Vertrautheit birgt auch eine
Gefahr: Das Heilige, dem wir immerfort begegnen, wird uns gewöhnlich. Die
Ehrfurcht erlischt. Wir spüren durch alle Gewohnheiten hindurch das Große,
Neue, Überraschende nicht mehr, dass ER selber da ist, zu uns redet, sich uns
schenkt. Dieser Gewöhnung ans Große, der Gleichgültigkeit des Herzens müssen
wir immer wieder entgegentreten, immer neu unsere Armseligkeit erkennen und die
Gnade, die es ist, dass ER sich so in unsere Hände gibt.“ So ist das Gebet für den Priester also nicht eine
Pflicht, der er nachkommen muss, sondern eine wahre imitatio Christi: ein Nachahmen des betenden Christus, wobei das
Gebet als unabdingbare Voraussetzung der Kommunion erlebt wird.
Das Primat der spirituellen
Dimension im Leben des Priesters erfordert beständige Wachsamkeit gegenüber dem
so genannten Funktionalismus. «Tatsächlich nimmt man
nicht selten, auch seitens einiger Priester, den Einfluss einer Mentalität
wahr, die irrigerweise dazu neigt, das Amtspriestertum lediglich auf die
funktionalen Aspekte zu reduzieren. Von Beruf Priester sein, dabei einzelne
Serviceleistungen anbieten und manche Dienste garantieren, wäre demnach die
ganze priesterliche Existenz» (Direktorium,
55).
Wer so lebt, läuft wirklich
die Gefahr, wie Papst Franziskus gesagt hat, dass sein Öl ranzig und sein Herz
bitter wird. Aus diesem Grund ist nur die innige Beziehung zu Christus der
Bereich, in dem jedwede Form pastoraler Kreativität erkannt und gelebt werden
soll, und jede löbliche Initiative sollte ausschließlich auf jene persönliche
und gemeinschaftliche Begegnung mit dem Auferstandenen, die den wesentlichen Kern
der Neuevangelisierung bildet, ausgerichtet sein.
Aus diesem Kern entsteht -
dies ist das zweite grundlegende Thema der authentischen spirituellen Dimension
des Dienstes - das Erleben jedes Dienstes als wahre, persönliche Gelegenheit
der Heiligung und der Stärkung der eigenen Identität.
Im Gegensatz zu dem was
manchmal behauptet wird, gibt es im Priesteramt keine vorhergehende Identität,
die man ablegt wenn man sich pastoralen Aufgaben zuwendet, oder eine
subjektiven Heiligkeit, von der man absehen kann. Ganz im Gegenteil, gerade im
demütigen, getreuen und täglichen Ausüben des Dienstes erlebt der Priester das
Sich-Erneuern und Gestalten seiner Identität, und dadurch die Kräftigung seines
Werdeganges in Askese und Heiligung. Mit jeder Messe, die er zelebriert, wird
der Priester immer mehr zum Priester! Mit jedem Schäfchen, das er zur Herde
zurückführt, wird der Hirte zum besseren Hirten! Er festigt seine Identität als
Hirte und stärkt in sich den Duft der Heiligkeit, der dem guten Duft Christi
entspricht, der auch die Schafe umhüllt.
Einen letzten Hinweis
möchte ich noch zur spezifischen methodologischen Vorgangsweise des
Direktoriums geben, nämlich zur Betrachtung über das Zölibat (Nr. 79- 82) im
Rahmen der Spiritualität. Die Pflicht des Zölibats soll alles andere als eine
willkürliche oder subjektive oder gar eine rein kanonische Dimension erhalten;
diese Entscheidung soll hervorheben, dass das Zölibat herausragendes Zeichen
der Salbung durch den Heiligen Geist ist und der wirksamste Weg der Heiligung,
sei es auf persönlicher Ebene wie auf der des Volkes.
3. Die ständige Weiterbildung
Zwei Aspekte rechtfertigen und
bestimmen die Notwendigkeit ständiger Weiterbildung: der anthropologische und
der historisch-kulturelle.
Der erste,
anthropologische, Aspekt erinnert uns beständig daran, dass wir alle Sünder sind
und unsere Grenzen haben, dass der Mensch, von Gott geschaffen -und siehe da,
er war sehr gut - von Sünde befallen ist und deshalb der immerwährenden Gnade
bedarf und jener natürlichen Hilfe, die die Aufnahme der übernatürlichen Gnade
ermöglicht.
Die schnellen
Veränderungen, die wir um uns herum erleben, die kulturellen Veränderungen,
sowie das, was Presbyterorum ordinis
bereits vor 50 Jahren eine „radikal neue Situation“ nannte, erfordern -
historisch-kulturell gesehen - das demütige Bewusstsein, dass Wissen nicht ein
für alle Mal aufgenommen wird, sondern ständig weiter aufgebaut werden muss;
dies offenbart sich vorwiegend durch jenes „offene Herz“, das all die
kennzeichnet, die der Stimme des Herrn folgen.
Auch in der Dimension der
ständigen Weiterbildung ist das Primat des Übernatürlichen und der Gnade
grundlegend. Mit außerordentlicher Kraft hat uns Papst Franziskus daran
erinnert, als er sagte: «Es ist eben gerade nicht in den
Selbsterfahrungen oder in den wiederholten Introspektionen, dass wir dem Herrn
begegnen: Selbsthilfekurse können im Leben nützlich sein, doch unser
Priesterleben zu verbringen, indem wir von einem Kurs zum anderen, von einer
Methode zur anderen übergehen, das führt dazu, Pelagianer zu werden, die Macht
der Gnade herunterzuspielen, die in dem Maß aktiv wird und wächst, in dem wir
gläubig hinausgehen, um uns selbst zu verschenken und den anderen das
Evangelium zu geben, das bisschen Salbung, das wir besitzen, denen zu schenken,
die absolut gar nichts haben.» (Chrisam-Messe, 28 März 2013).
Die ständige Weiterbildung
ist also ein wahres Instrument der Heiligung, das die Kirche ihren Priestern
bietet; Letztere sollten sie aufnehmen als notwendige und beständige
Vervollkommnung ihrer organischen Bildung und Ausbildung. Ebenso wie die
Grundausbildung, gliedert sich auch die ständige Weiterbildung in die vier,
nunmehr klassischen, Dimensionen: die menschliche, die spirituelle, die
intellektuelle und die pastorale Dimension, wobei in unserer Zeit dem Primat
der spirituellen Ausbildung besondere Aufmerksamkeit zukommt; jeder, durchaus
möglichen, Einschränkung der Ausbildung auf rein intellektualistische Inhalte
muss widerstanden werden; die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Ausbildung muss
jeder Prüfung standhalten können, sei es hinsichtlich der konkreten pastoralen
Umsetzung wie auch bezüglich deren Auswirkung auf den Menschen. Damit soll
jedoch die ständige Weiterbildung nicht einfach nur als aus „Techniken“ oder
„pastoralen Strategien“ bestehend gesehen werden, sondern soll statt dessen zum
Streben nach immer größerer Qualifikation führen, auf dass sie, gerade durch
die Klarheit hinsichtlich der Identität und des Sendungsauftrags des Priesters,
reichlich Früchte bringen möge.
Liebe Mitbrüder, und vor
allem ihr, die ihr für die ständige Weiterbildung verantwortlich seid, ihr
wisst durchaus, dass Papst Franziskus das Primat der spirituellen Dimension
besonders am Herzen liegt; er weiß sehr wohl, dass eine wahre Erneuerung der
Kirche und der Wirksamkeit der Verkündung der Frohbotschaft, nur aus der
Erneuerung der spirituellen Dimension entstehen kann und aus dem Primat, das
ihr konkret zukommt.
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Dies ist der umfassende
Horizont, der mich angeregt hat, einige meiner bedeutendsten Vorträge der
vergangenen zwei Jahre im Buch „Priester in der Moderne“ zusammenzufassen und
dadurch den Priestern ein Instrument der Analyse, Synthese und eben der
ständigen Weiterbildung zur Verfügung zu stellen.
Im Rahmen der
veröffentlichen Sammlung scheint mir die
lectio magistralis von besonderer Nützlichkeit zu sein, die ich vergangenen
November in Venedig gehalten habe, über die Beziehung zwischen Kirche und
Moderne, sowie die in Ars vorgetragene, umfassende historische Untersuchung über
das Priesterzölibat in den lehramtlichen Schriften der Päpste der vergangenen
zwei Jahrhunderte.
In Ersterer wird eines der
grundlegenden Themen angesprochen, das auch der Einberufung und Zelebration des
Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils zugrunde lag.
Wenn wir uns der Tatsache bewusst
sind, dass ein Konzil immer auch ein übernatürliches, durch die Einwirkung des
Heiligen Geistes geleitetes Ereignis ist, können wir nicht umhin, auch eine der
Instanzen zu berücksichtigen, die dessen Einberufung bestimmte, nämlich der
Wunsch die „Moderne“ besser zu verstehen, und der Versuch, das mit ihr im
Verlauf der Jahrhunderte entstandene Hiatus zu erfassen. Sehr passend erinnerte
uns der emeritierte Papst Benedikt XVI in seiner letzten Konversation mit dem
römischen Klerus daran, als er sagte: «Und wir wussten, dass in
der Beziehung zwischen Kirche und Moderne von Anfang an ein gewisser Gegensatz
vorhanden war, begonnen beim Irrtum der Kirche im Fall von Galileo Galilei. Man
wollte diesen verfehlten Anfang korrigieren und wieder eine Einigung zwischen
der Kirche und den besten Kräften der Welt finden, um die Zukunft der
Menschheit zu öffnen, um den wahren Fortschritt zu öffnen» (Begegnung mit dem Klerus der Diozöse Rom,
14. Februar 2013).
Natürlich werden in diesen
Schriften keine endgültigen und vollkommenen Lösungen geboten, doch nach einer
historischen, philosophischen und gnoseologisch-erfahrungsbasierten
Untersuchung darüber, was „Moderne“ sei, wird versucht - von einem
hermeneutischen Prinzip der Inkarnation des Wortes ausgehend - eine korrekte
Beziehung der Kirche und des Priesters zu ihr zu umreißen, in deren Licht der
Christ aufgerufen ist, jede Realität wahrzunehmen.
Extrem zusammengefasst - Sie
werden es in der Schrift finden - wird der edelmütige Weg der zwischenmenschlichen
Begegnung als wahrer Weg der Überwindung aller ideologischen Auseinandersetzungen
erkannt; eigentlich ist es das Wiederfinden des konkreten christlichen
Realismus gegen jeden, immer wieder auch innerhalb des Kirchen- und Priesterleben
möglichen, ideologischen Reduktionismus.
Der weitere Beitrag, den
ich nur kurz ansprechen möchte und den zu lesen ich Sie freundlich auffordere, ist eine historische, aber auch -
so glaube ich - eine tiefgehende, aufmerksame Auseinandersetzung mit der
Schönheit der pastoralen Wirksamkeit und der Unverzichtbarkeit des kirchlichen
Zölibats im Leben des Priesters. Das Zölibat wird vor allem als imitatio Christi gesehen und
interpretiert, als reelle Konkretisierung dessen, was ich zuvor, der großen kirchlichen
Tradition folgend, apostolica vivendi
forma genannt habe. Es handelt sich nicht um eine strenge Vorgabe, sondern
um eine Notwendigkeit, die aus einer über alles hinausgehenden Liebe heraus
entsteht; so „möge der, der zu verstehen vermag, verstehen“.
Liebe Mitbrüder, von immer größerer Bedeutung ist es, allen uns
anvertrauten Priestern die Dimension der jungfräulichen Armut zurückzugeben
oder zu verleihen; Jungfräulichkeit in der Annahme des Willens Gottes und nicht
des eigenen; Jungfräulichkeit im Dienst an den Brüdern, wie Gott und die Kirche
es erwarten, statt dem eigenen, subjektiven Standpunkt zu folgen;
Jungfräulichkeit in der Aufnahme der offenbarten Wahrheit und im Theologe-Sein
gemäß der unabdingbaren kirchlichen Dimension dieses Dienstes, und schließlich,
jedoch vor allem Anderen, Jungfräulichkeit als radikale und absolute Hingabe an
Gott, als Dienst zu dem wir, zu unserer und unserer Brüder Heiligung, berufen
sind.
Möge die gnadenreiche
Jungfrau, die ihr “Ja“ gesprochen hat, den Weg des mit so viel liebevoller
Sorgfalt von der Kongregation für den Klerus aktualisierten Direktoriums
begleiten und, in bescheidenerer Weise, auch den Weg der Schrift „Priester in
der Moderne“.