Audienz für die
Teilnehmer an der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus
Streben nach moralischer
und geistlicher Vollkommenheit
Ansprache von Papst
Benedikt XVI. am 16. März
Meine Herren Kardinäle, verehrte
Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt!
Ich freue mich, euch in einer
Sonderaudienz am Vorabend meiner Abreise nach Afrika begrüßen zu dürfen. Ich
werde mich dorthin begeben, um das »Instrumentum laboris« der Zweiten
Sonderversammlung der Synode für Afrika zu überreichen, die hier in Rom im
kommenden Oktober stattfinden wird. Ich danke dem Präfekten der Kongregation,
Herrn Kardinal Cláudio Hummes, für die freundlichen Worte, mit denen er eure
gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, und ich danke auch für den
schönen Brief, den ihr mir geschrieben habt. Mit ihm begrüße ich euch alle, die
Oberen, Offizialen und Mitglieder der Kongregation, und danke euch von Herzen
für all die Arbeit, die ihr im Dienst eines so wichtigen Bereichs des Lebens
der Kirche verrichtet.
Das Thema, das ihr für diese
Vollversammlung gewählt habt - »Die missionarische Identität des Priesters in
der Kirche: eine der Ausübung der ›tria munera‹ innewohnende Dimension« -,
gestattet einige Überlegungen für die Arbeiten dieser Tage und für die reiche
Frucht, die diese sicherlich tragen werden. Wenn auch die ganze Kirche
missionarisch ist und jeder Christ kraft der Taufe und der Firmung »quasi ex
officio« (vgl. KKK 1305) den Auftrag erhält, den Glauben öffentlich zu
bekennen, so unterscheidet sich das Amtspriestertum jedoch auch unter diesem
Gesichtspunkt ontologisch und nicht nur dem Grade nach vom Taufpriestertum, das
auch allgemeines Priestertum genannt wird. Für ersteren nämlich ist der
apostolische Auftrag maßgebend: »Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet
das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mk 16,15). Dieser Auftrag ist, wie
wir wissen, nicht einfach nur eine Aufgabe, die Mitarbeitern anvertraut ist;
seine Wurzeln liegen tiefer und reichen viel weiter zurück.
Die missionarische Dimension des
Priesters entspringt seiner sakramentalen Gleichgestaltung mit Christus, dem
Haupt: Daraus folgt eine tiefempfundene und vollkommene Treue zur »apostolica
vivendi forma«, wie sie in der kirchlichen Überlieferung genannt wird. Sie
besteht in der Teilhabe an einem »neuen Leben« im geistlichen Sinne, an jenem
»neuen Lebensstil«, den Jesus, der Herr, eingeführt hat und den die Apostel
sich zu eigen gemacht haben. Durch die Handauflegung des Bischofs und das
Weihegebet der Kirche werden die Kandidaten zu neuen Menschen, zu »Priestern«.
In diesem Licht wird deutlich, daß die »tria munera« in erster Linie ein
Geschenk sind und erst in zweiter Linie ein Amt. Sie sind zunächst einmal
Teilhabe an einem Leben und daher eine »potestas«. Sicher, die lange kirchliche
Tradition hat die Wirkkraft des Sakraments zu Recht von der konkreten
Lebenssituation des einzelnen Priesters losgelöst; dadurch werden die
rechtmäßigen Erwartungen der Gläubigen adäquat geschützt. Aber diese richtige
lehrmäßige Klarstellung mindert nicht das notwendige, ja unverzichtbare Streben
nach moralischer Vollkommenheit, das in jedem wirklich priesterlichen Herzen
wohnen muß.
Um dieses Streben der Priester
nach geistlicher Vollkommenheit, von dem die Wirksamkeit ihres Dienstes
entscheidend abhängt, zu unterstützen, habe ich entschieden, ein besonderes
»Jahr des Priesters« auszurufen, das vom kommenden 19. Juni bis zum 19. Juni
2010 dauern wird. In dieses Jahr fällt nämlich der 150. Todestag des heiligen
Pfarrers von Ars, Johannes Maria Vianney, ein wahres Vorbild des Hirten im
Dienst der Herde Christi. In Absprache mit den Diözesanbischöfen und den Oberen
der Ordensinstitute wird eurer Kongregation die Förderung und Koordinierung der
verschiedenen geistlichen und Pastoralen Initiativen obliegen, die nützlich
sein können, um die Bedeutung der Rolle und der Sendung des Priesters in der
Kirche und in der heutigen Gesellschaft immer besser wahrnehmbar zu machen. Die
Sendung des Priesters findet, wie das Thema der Vollversammlung hervorhebt, »in
der Kirche« statt. Eine solche kirchliche, gemeinschaftliche, hierarchische und
doktrinelle Dimension ist absolut unverzichtbar für jede wahre Sendung, und sie
allein gewährleistet ihre geistliche Wirkkraft. Die vier erwähnten Aspekte
müssen stets als eng miteinander verbunden betrachtet werden: Die Sendung ist
»kirchlich«, weil niemand sich selbst verkündigt oder in die Welt trägt,
sondern im eigenen Menschsein und durch das eigene Menschsein muß jeder
Priester sich bewußt sein, daß er einen anderen, Gott selbst; in die Welt trägt.
Gott ist der einzige Reichtum, den die Menschen letztendlich in einem Priester
finden wollen. Die Sendung ist »gemeinschaftlich«, weil sie in einer Einheit
und Gemeinschaft stattfindet, die nur am Rande auch wichtige Aspekte sozialer
Sichtbarkeit besitzt. Diese entspringen andererseits wesentlich der
Vertrautheit mit Gott. Der Priester ist berufen, darin Experte zu sein, damit
er die ihm anvertrauten Seelen mit Demut und Vertrauen zur selben Begegnung mit
dem Herrn führen kann. Die »hierarchische« und die »doktrinelle« Dimension
schließlich lege nahe, die Bedeutung der kirchlichen Disziplin (das Wort ist
eng verbunden mit dem Wort »discipulus« - Jünger) und der anfänglichen
Ausbildung und ständigen Weiterbildung in der Lehre und nicht nur in der
Theologie, hervorzuheben. Das Wissen um den radikalen Wandel der Gesellschaft
in den letzten Jahrzehnten muß die besten kirchlichen Kräfte dazu bewegen, sich
um die Ausbildung der Priesteramtskandidaten zu kümmern. Insbesondere muß es
die Hirten anspornen, ständig für ihre ersten Mitarbeiter Sorge zu tragen,
sowohl durch die Pflege wirklich väterlicher menschlicher Beziehungen, als auch
durch die Fürsorge um ihre ständige Weiterbildung, vor allem unter lehrmäßigem
und geistlichem Aspekt. Die Sendung hat ihre Wurzeln insbesondere in einer
guten Ausbildung, die vorangetragen wird in Gemeinschaft mit der
ununterbrochenen kirchlichen Tradition, ohne Brüche oder Versuchungen einer
Diskontinuität. In diesem Sinne ist es wichtig, bei den Priestern, besonders
bei den jungen Generationen, eine korrekte Rezeption der Texte des Zweiten
Ökumenischen Vatikanischen Konzils zu fördern, die im Licht der gesamten Lehre
der Kirche interpretiert werden müssen. Als dringend notwendig erweist sich
auch die Wiedererlangung eines Bewußtseins, das die Priester anspornt, präsent,
identifizierbar und erkennbar zu sein - sowohl im Glaubensurteil als auch in
den persönlichen Tugenden als auch in der Kleidung - im kulturellen und im
karitativen Bereich, die seit jeher das Herzstück der Sendung der Kirche
darstellen.
Als Kirche und als Priester
verkündigen wir Jesus von Nazaret, den Herrn, den gekreuzigten und
auferstandenen Christus, den Herrscher über die Zeit und die Geschichte, in der
frohen Gewißheit, daß diese Wahrheit den tiefsten Erwartungen des menschlichen
Herzens entspricht. Im Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes, in der Tatsache
also, daß Gott ein Mensch wie wir geworden ist, liegt sowohl der Inhalt als
auch die Methode der christlichen Verkündigung. Die Sendung hat hier ihren
wirklichen vitalen Mittelpunkt: in Jesus Christus. Die Zentralität Christi
bringt die richtige Wertung des Amtspriestertums mit sich, ohne das es keine
Eucharistie und erst recht keine Sendung, Ja selbst die Kirche nicht gäbe. In
diesem Sinne ist es notwendig, darüber zu wachen, daß die »neuen Strukturen«
oder pastoralen Einrichtungen nicht für eine Zeit gedacht sind, in der man ohne
das Weiheamt »auskommen« muß, wobei von einem falschen Verständnis der rechten
Förderung der Laien ausgegangen wird. In diesem Fall würde man nämlich die
Voraussetzungen schaffen für eine noch größere Verwässerung des
Amtspriestertums, und die angeblichen »Lösungen« würden sich in dramatischer
Weise decken mit den eigentlichen Ursachen der gegenwärtigen Problematiken, die
mit dem Amt verbunden sind.
Ich bin sicher, daß die Arbeit
der Vollversammlung, unter dem Schutz der »Mater Ecclesiae«, in diesen Tagen
diese kurzen Überlegungen vertiefen kann, die ich der Aufmerksamkeit der Herren
Kardinäle sowie der Erzbischöfe und Bischöfe zu unterbreiten mir erlaube. Auf
alle rufe ich die überreiche Fülle der himmlischen Gaben herab und erteile als
deren Unterpfand euch und den euch nahestehenden Personen von Herzen einen
besonderen Apostolischen Segen.